Obwohl sich gerade die mittelständische Wirtschaft in jedem Jahr aufs Neue Herausforderungen auf den unterschiedlichsten Gebieten stellen muss, blickte die Mittelstands- und Wirtschaftsunion im Kreis Paderborn (MIT) in ihrer traditionellen Jahresauftaktveranstaltung
„Das Gute lauert überall. Es kommt nur nicht an“, begrüßte Ulrich Lange, Kreisvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Paderborn, die 150 Gäste seiner Vereinigung. Es könne daher nicht schaden, sich auch einmal in Erinnerung zu rufen, dass die Menschen im vergangenen Jahr die Welt auf vielen wichtigen Feldern auch ein wenig besser gemacht haben. Und dennoch: „Das Eis ist dünner, als es die Konjunkturzahlen zeigen. Motor des Wirtschaftswachstums ist der private Konsum, was für Deutschland ungewöhnlich ist. Weltweite Entwicklungen und der gesellschaftliche Wandel sind in ihren Auswirkungen immer deutlicher spürbar“, schaute Lange auch nachdenklich in die Zukunft.
Motor des gesellschaftlichen Wandel ist unbestritten die Digitalisierung des alltäglichen Lebens. Ein Prozess, der dem Handwerk allerdings kein Kopfzerbrechen bereitet, wie Peter Gödde, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, in seinem Impulsvortrag „Digitale Werkstatt des Handwerks“ darlegte: „Digitalisierung ist für uns kein Zukunftsmodell. Das Handwerk ist bereits mitten drin. Virtual Reality, um Küchen und Häuser zu präsentieren, 3D-Ausmaß, Smart Living, E-Mobilität und Unternehmensmanagement sind fester Bestandteil der täglichen Arbeit. Für das Handwerk geht es eher darum, zum Beispiel in der Robotik, der künstlichen Intelligenz oder der Augmented Reality die nächsten Schritte zu machen. Wir Handwerker sind in der digitalen Welt angekommen.“ Als eindrucksvollen Beweis dafür hatte die Kreishandwerkerschaft rund um die MIT-Veranstaltung zu einer „Digitale Roadshow“ eingeladen, in deren Rahmen die Mittelständler in virtuelle Umgebunden eintauchen sowie Drohnen, Simulatoren und Roboter als Helfer im Arbeitsalltag hautnah erleben konnten.
Der Ausblick von Hubert Böddeker, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Paderborn-Detmold, stand unter dem provokanten Motto „Nie mehr Zinsen? Was macht das mit unserer Gesellschaft?“. „Der Handelskrieg zwischen den USA und China, der Brexit und die Geldpolitik der Zentralbanken verunsichern. Die Zinswüste ist da und es ist mehr als nur möglich, dass sie noch lange bleibt und die Zeit der Zinsen erst einmal vorbei ist. Wenn wir in den letzten zehn Jahren von guten Jahren gesprochen haben, dann wird sich das mit Blick auf die Zwanziger sicher deutlich abkühlen“, prognostizierte Böddeker. Derartige zentrale Veränderungen müssten eigentlich dauerhaft zu einem Umdenken in den Köpfen der Menschen führen. „Das passiert leider noch nicht. Wir sind ein Land der Sparer. Das Geld wird weiterhin fleißig auf das Sparbuch gelegt. Das ist aber keine passende Altersvorsorge mehr. Rendite erhält nur noch, wer sich auch mal traut, ein Risiko einzugehen. Die für uns über Jahrzehnte bekannten sicheren Geldanlagen wird es wohl für lange Zeit nicht mehr geben. Wer die Risiken, beispielsweise am Aktienmarkt, meidet, verpasst Chancen“, mahnte der Sparkassenvorstand. Wichtig sei zudem, durch die Digitalisierung nicht das zentrale Problem der Demographie aus den Augen zu verlieren. „Das Thema ist angekommen. Die Baby-Boomer gehen in Rente, der Fachkräftemangel ist spürbar. Auch das wirkt sich aus“, betonte Böddeker.
In der anschließenden durch Jürgen Lutter moderierten Podiumsdiskussion wagten Kai Buhrke, Geschäftsführer des Handelsverbands Hochstift und Lippe, Jürgen Behlke, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer und Leiter der Zweigstelle Paderborn + Höxter und Peter Gödde eine Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung im Kreis Paderborn. Für Buhrke bleibt der stationäre Einzelhandel, trotz der Online-Konkurrenz, ein wichtiger Faktor: „Natürlich wird es nicht leichter, aber Angst brauchen wir nicht zu haben. Der stationäre Einzelhändel ist eine Art Kulturgut, das eine Stadt erst lebenswert macht. Ohne ihn wird es nicht gehen.“ Jürgen Behlke sieht das produzierende Gewerbe, ähnlich wie im vergangenen Jahr, auch 2020 in einer schwierigen Phase: „Mit Blick auf die durchschnittlichen Werte, wird sich dort die Entwicklung weiter abschwächen. Den Dienstleistungsbereich erwarten wir auf gleichem Niveau.“ Für Gödde wird der Bausektor auch 2020 die treibende Kraft bleiben: „Die Auftragsbücher sind voll. Probleme sehe ich aber im Bereich der Zulieferer, zum Beispiel in der Automobilindustrie. Die Unternehmen sind gefordert, neue innovative Ideen umzusetzen, um bestehen zu können.“ Von der Politik wünschten sich alle drei Podiumsteilnehmer, die Bedeutung der Wirtschaft wieder stärker zu würdigen. „Eine Bonpflicht nimmt jedes Wirtschaftsunternehmen in den Generalverdacht, Steuern zu hinterziehen. Die Wohnungsbaugesellschaft in Paderborn zeigt deutlich, dass es kein Vertrauen in die heimische Wirtschaft gibt. Unternehmer haben es verdient, dass ihr Bild wieder positiver besetzt wird“, forderte Gödde, während Behlke dafür warb, in der aktuellen Phase auf Erhöhungen von Gewerbe- und Grundsteuern zu verzichten.
„Dieser Abend hat gezeigt, dass auch 2020 wieder turbulent und nervenaufreibend wird. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion wird sich daher auch in diesem Jahr lautstark für mutige neue Wege einsetzen und noch stärker der ordnungspolitische Stachel im Fleisch der CDU sein“, fasste Ulrich Lange am Ende zusammen und rief dazu auf: „Mischen Sie sich als Aktivisten für die Soziale Marktwirtschaft gerade in diesem Kommunalwahljahr noch mehr in die gesellschaftliche und politische Debatte ein. Und seien Sie bereit zu Diskussionen, denn nur so funktioniert Demokratie.“